28  Aug
Fahrrad

Nach einiger Zeit wieder ein Blog aus Toronto. Kurz zusammengefasst: Ich habe ein Fahrrad, habe nichts dafür bezahlt und wegen dieser neuen Freiheit hatte ich auch die Gelegenheit, die ersten Fotos vom Campus zu machen. Allerdings ist es die Geschichte vom Fahrrad definitiv wert, erzählt zu werden.

Es ist alles schon eine Weile her, vorgestern, am Montag. Ich war etwas frustriert gewesen, einiges hatte nicht geklappt, das Internet zu Hause, die Unordnung, das fehlende Bett, und immer noch hieß es überall zu Fuß hinlaufen. Also hatte ich beschlossen: Heute kaufe ich mir ein Fahrrad, auch wenn ich weiß dass man mich über den Tisch zieht, ich WILL einfach nicht länger so eingeschränkt sein und soviel Zeit mit zu Fuß gehen verlieren. Also bin ich noch einmal durch Chinatown und Kensington gelaufen, um nach Läden zu suchen, die Fahrräder verkaufen. Natürlich, passend zu meinen sonstigen Aktionen, ohne Erfolg. Also bin ich zurück zu dem allerersten Laden vom allerersten Tag, in Chinatown. Damals hatte ich 80 Dollar für ein schrottreifes Fahrrad für zu teuer gehalten, aber scheinbar gab es ja keine Alternativen. Dort angekommen wurde sah ich erst einmal zwei ältere Herren da sitzen, die mich ansprachen und die beim ersten mal nicht da waren. Ich war natürlich erstmal erfreut, denn mit dem chinesischen Paar, das den Laden betrieb, war preismäßig nicht zu reden, ich hatte schon beim erstem Mal einiges versucht, wahrscheinlich hätte ich für 50 Dollar ein Schrottrad gekauft, aber von ihren 80 sind sie nicht runter gegangen. Beide sahen etwas heruntergekommen aus, der eine ziemlich dunkler Typ, wie aus dem mittleren Osten, aber schon mit grauen Haaren. Der andere, ein waschechter Kanadier, down to earth, Mechaniker. Sie machten gleich irgendwelche Scherze und fragten nach was ich suche. Ich sagte ich schaue mich nach Fahrrädern um. Das erste, was der eine, nicht kanadisch aussehende gefragt hat, war : „Are you from Germany?“ Ich war natürlich erstmal misstrauisch, seltsam, woher er das von selber gewusst hat, normalerweise erkennen die Leute zwar einen Akzent, aber sie können ihn nicht einordnen. Ich erzählte ihm ich sei aus Stuttgart und dann war er gar nicht mehr aufzuhalten: Er war schon in der Bärenhöhle gewesen und in Tübingen auf dem Umbrisch Provencalischen Markt und hat sich seine Birkenstocks dort gekauft, die er mir stolz gezeigt hat. Genauso wie seine ganzen glitzernden „Germany“ Sticker, die er auf seinem Fahrrad kleben hatte. Er sagte mir noch, sein Sohn sei Deutscher und hieße Yannick, er wäre hier an der UofT um zu studieren. Seine Frau (oder Ex-Frau oder nur Mutter seiner Kinder…?) und sein anderer Sohn würden in Schleswig Holstein leben…

Um die Geschichte etwas abzukürzen: Er hat mich überredet, keins von diesen Fahrrädern dort zu kaufen, weil er sagte, ich würde ja sowieso nur über den Tisch gezogen, ich sei Student und hätte kein Geld. „They’ll gonna RIP YOU OFF!“ war so die eindringlichste seiner Warnungen. Also hab ich ihn gefragt was ich denn machen soll. „I’ll give you one for free“. Unglaublicherweise hat er das wahr gemacht. Wir sind zu seinem Auto gelaufen, haben seinen Sohn Yannick getroffen (der wirklich Deutscher war und übrigens ein sehr höflicher und netter) und das Fahrrad geholt. Es wurde noch aufgepumpt, sogar ein Schloss haben sie mir mitgegeben. Und Geld wollte er Partout nicht nehmen, letztendlich hat er mich nicht mal nach meinem Namen gefragt und hat mir einfach ein Fahrrad geschenkt. Sogar eins, das besser ist als alle die ich für 80 oder sogar 120 Dollar gekauft hätte! Ich habe auf dem Weg zur Garage viel mit ihm geredet, besser gesagt er hat mir viel erzählt, so eine offene Art habe ich selten gesehen. Auch hat er ziemlich überlegte Sachen gesagt, das ist man überhaupt nicht gewohnt wenn man so einfach auf der Straße angesprochen wird. Auf jeden Fall hat mich das tief beeindruckt und gerührt und hat meine zugegebenermaßen negative Einstellung, die ich an diesem Morgen hatte, weggeblasen. Ich habe die Telefonnummer von Yannick und seinem Vater mitgenommen, auch eine e-mail Adresse, ich habe fest vor die beiden mal zum Essen einzuladen oder sowas.

Mit meinem neuen Fahrrad war ich dann viel freier und konnte mich auf einmal bewegen. Das macht viel aus. Daher kommen jetzt auch die ersten Fotos, von dem Haus, in dem ich wohne:

von der College Street, meiner Straße,

und vom Hauptgebäude der Uni.

Seltsamerweise ist es unsymmetrisch, als wäre auf der vom Betrachter aus linken Seite was runter gefallen, aber vielleicht ist das normal, oder es ist wirklich was runter gefallen.

Zur Zeit bin ich also dabei, Sachen einzukaufen, an der Uni die Orientation Sessions und Campus Tours mitzumachen. Auch war ich mit zwei Jungs vom DAAD in der Hockey Hall of Fame. „Hockey“ steht hier natürlich nicht für Feldhockey, sondern Eishockey, ich weiß nicht einmal, ob das andere Hockey hier überhaupt bekannt ist. Das war sozusagen ein Teil der „cross cultural communication“. Heute war das Ontario Science Museum dran, eine riesige Ansammlung meist kindertauglicher Experimente auf 3 Etagen. Insgesamt durchaus spaßig, selbst für zwei Physiker die wir waren :-) . Auf jeden Fall wird jetzt der nächste Schritt, ein zweites Fahrrad für meine Besucher aufzutreiben, die Kurse an der Uni auszusuchen und mehr Sachen zu besorgen.

Posted by diana. Datum: August 28, 2008 | No Comments »

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