‘Chicago?!? Was will man denn in Chicago?!?’ Das war seltsamerweise eine Reaktion, mit der man häufig konfrontiert wurde. Dass man in Detroit nichts ausser Industriebauten der unschönen Sorte sehen kann hatten wir nun akzeptiert, aber Chicago, übrigens die Heimatstadt des neuen Präsidenten, wollten wir dann doch einmal sehen. Ein bisschen mulmig war uns dann schon zumute, da wir unsere Fahrt ja für ganze 4 Tage geplant hatten – was wenn es nun wirklich nicht viel zu sehen gibt…?
Freitag abend ging es los mit der Alamo Autovermietung. Der kanadische Teil der Strecke ist nicht lang und schon gegen halb ein Uhr nachts hatten wir die Grenze erreicht. Das Einreisen in dei USA ist immer wieder ein Abenteuer. Ersteinmal eine halbe Stunde Autoschlange, dann wurden wir (wie immer) gefragt, wo wir hingehen und woher wir uns kennen und was wir dort wollen usw. Da wir alle Visa Waver brauchten mussten wir aussteigen und ins Büro. Dort war vor uns ein Reisebus angekommen, der aber bereits fertig abgefertigt war. Das hieß aber nicht dass wir bald dran waren. Einer nach dem anderen verschwand jeder Grenzbeamte (in den Kaffeeraum…?). Zwei Leute in Handschellen wurden an uns vorbeigeführt, sonst passierte nichts. Wir warteten und warteten, bis sich schließlich ein mürrischer aber dennoch ziemlich netter (Rammsteinfan-) Grenzbeamter unser annahm. Insgesamt verbrachten wir über zwei Stunden an der Grenze und hatten dann mittlerweile auch einen Schneesturm vor uns. Die Fahrt ging also sehr langsam voran, und um 6 Uhr morgens, der geplanten Ankunftszeit in Chicago, hielten wir in einem kleinen Städtchen in Michigan (Chicago liegt übrigens im Staat Illinois); um festzustellen, dass wir einen platten Reifen hatten. Die Freude war natürlich groß und wir telefonierten von der Tankstelle aus mit der Versicherung, die uns sagte wir können das Auto in Chicago austauschen und bis dahin mit dem Ersatzreifen fahren. Also wechselten wir bei Schnee den Reifen und fuhren weiter. Der Rest der Strecke war eher unspektakulär und irgendwann passierten wir dann die Stadtgrenzen.
Als die Autotausch Aktion erledigt war und wir erfolgreich einen kostenlosen Parkplatz (25$ pro Tag in der Stadt!) etwas ausserhalb gefunden hatten ging es los. Ausser am ersten Tag, der etwas bewölkt war, hatten wir unheimlich Glück mit dem Wetter, es war klar, dabei aber nicht unerträglich kalt. Daher hatten wir immer schöne Aussichten auf die Skyline und den Lake Michigan, dessen lange Küstenlinie entlang Chicago läuft. Die Stadt ist 1871 fast vollständig abgebrannt, danach wurde nahezu alles neu aufgebaut. Entsprechend neu ist auch die Mischung an Stilen. Architektonisch hat Chicago viel zu bieten. Viele verschiedene Architekten haben sich hier ausgetobt und dennoch ein homogenes Stadtbild hinterlassen. Die einzelnen Gebäude sind im Schnitt meiner Meinung nach interessanter als die in New York und fügen sich auch besser zusammen. Ausserdem ist die Stadt sehr angenehm, breite Bürgersteige und ein recht durchdachtes Verkehrssystem machen den Besuch zu einer stressfreien Angelegenheit. Man muss natürlich auch dazu sagen, dass im Februar kaum Touristen hierher kommen, da die Chicagoer Winter gefürchtet kalt sind.
Bekannt ist Chicago noch für einige andere Sachen: Seine Kunst, seine Mafia-Geschichte, und Jazz. Das beeindruckendste Beispiel war für uns die ‘Silver Bean’ (eigentlich ‘Cloud Gate’, aber der andere Name krusiert unter den meisten Leuten) , die im Millenium Park steht. Eine riesige Stahlbohne, in der sich die Stadt und man selbst spiegelt. Obwohl noch nicht so alt (2004 aufgestellt), ist sie schon ein Wahrzeichen der Stadt.
Die Mafia-Geschichte haben wir nur am Rand mitbekommen, über einen kurzen Besuch im Stadtmuseum und etwas näher, als wir im bekannten Jazzlokal ‘Green Mill’, das auch Al Capone gerne besuchte, waren. Was uns auch zum Jazz führt. Er ist in Chicago sehr verbreitet, es gibt viele Bars und bekannte Musiker kommen von hier. Geschichtlich ist das wohl damit zu erklären, dass die Stadt einen sehr hohen Anteil an Afroamerikanern hat (37%), die sehr früh aus dem Süden dorthin gezogen sind und wohl auch ihre Musik populär gemacht haben. Der Besuch im ‘Green Mill’ hat sich auf jeden Fall gelohnt, live ist es doch ein anderes Erlebnis!
Letzte Anekdoten betreffen noch das Essen. Eine Kuriosität hat Chicago zu bieten: Die ‘deep dish’ Pizza, die erfunden wurde, um Pizza mit Messer und Gabel essen zu müssen. Es ist ein Pizzaboden mit mehreren Zentimetern purem Käse, darauf eine Tomatensauce. SEHR füllend und nichts für eine Diät, aber schmeckt schon nicht übel.
Zusammenfassend hat sich die Fahrt über alle Erwartungen entwickelt. Die Stadt ist sehr sehenswert und hat viel zu bieten. Auch die Tatsache, dass eigentlich alle Museen im Februar kostenlos sind, hat uns die Auswahl nicht leicht gemacht. Sie hat eine ganz andere Atmosphäre als Boston, ist moderner, auch ‘amerikanischer’, ist aber lange nicht so pulsierend wie New York, sondern etwas gemächlicher. Wenn wieder jemand überrascht fragt, was man denn in Chicago will, wissen wir auf jeden Fall was wir darauf antworten können…
5 Grad! Über Null! Und Regen?! Hier in Montréal! Und in Deutschland friert man? Schon ist der meiste Schnee wieder verschwunden – soll das der Winter gewesen sein?
Scheint den Fussballern auch zu Kopf gestiegen zu sein – war klar, dass die Norweger die Kälte besser vertragen.. 1:0 gegen Angstgegner Norwegen! Was für eine Blamage! Noch nicht mal ein Unentschieden konnte errungen werden!
Da gibt es nur eins: das Trainingslager wird jetzt von Majorca nach Island verlegt! Das ist euch eine Insel und dort gibt es auch genug Luxushotels für unsere Nobelkicker..
Zurück von einem kurzem Wochenende im nördlichen Quebec! Die Altstadt selbst war uns schon bekannt, deswegen konzentrieren wir uns auf die Karnevalsaktivitäten: den Umzug, den Eisfigurenwettbewerb und das Kanurennen am Sonntagnachmittag. Es wird viel geboten im kleinen Québec und die Bilder sollen einen Eindruck davon vermitteln. Wir wohnten in einer Jugendherberge, unweit des Stadtzentrums. Es war ein völlig neu eingerichtes Appartment für sieben Personen. Alles wirkte ein Bisschen unfertig, es fehlte das Schloss fürs Klo, das Internet funktionierte nicht und und die Spülung des Pissoirs lies sich nicht betätigen. Dafür hatten wir kurioserweise ein Telefon (Marke: AEG 1970-Modell) im Bad (!) und daneben eine Sauna (die aber sicherlich auch noch nicht funktionstüchtig war).
Am Samstag haben wir uns die verschiedenen Attraktionen angeschaut, die sich den Fotos entnehmen lassen. Abends sind wir noch rechtzeitig zum ‘berühmten’ Karnevalsumzug gekommen. Der Umzug war für deutsche Verhältnisse nicht sehr spektakulär. Ich hätte mir mehr Musikgruppen und einige Animateure gewünscht, die ein Bisschen Stimmung in die kühle Nacht gebracht hätten.. Bemerkenswert war aber, dass an diesem Abend das strenge Alkoholverbot im Freien ein Wenig gelockert schien. Es wurde viel Bier und Wein am Strassenrand getrunken. Sonst tragen die Québecer zum Karneval rote Gehstücke aus Plastik mit sich herum, die Innen hohl sind. Dort wird dann Hochprozentiges eingefüllt und so kann man hin- und wieder einen kleinen, verstollenen Schluck aus seinem Stab nehmen…
Am Sonntag sind wir zu den Wasserfällen von Montmorency gefahren. Der Wasserfall selbst ist größtenteils eingefroren und auch das Becken ist von einer dicken Eisschicht bedeckt. So konnte man bis an den Fuß des Wasserfalls heran (wo es dann sehr nass war . Viele Einheimische waren gekommen um auf dem ‘Zuckerhut’ Schlitten zu fahren. Der Zuckerhut bildet sich durch das aufgestäubte Wasser unterhalb der Fälle. Dort ‘regnet’ es ununterbrochen und es bildet sich ein großer Berg über den gesamten Winter hinweg. Im Jahre 1827 soll er 38 Meter hoch gewesen sein, bevor er wie jedes Frühjahr, verschwand. Danach gings zum Kanurennen, dass einmal im Jahr auf dem St. Lorentzstrom stattfindet. Zwischen den treibenden Eisscholen hindurch fahren Unerschrockene junge Männer und Frauen bis zum anderen Ufer und wieder zurück. Der Strom fliesst ziemlich schnell und die schwimmenden Eisscholen sind schwer zu umschiffen. Es muss nicht hinzugefügt werden, dass dieses ‘Event’ bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts stattfindet
. Eigentlich war es nicht so kalt und die Sonne schien, doch ein steifer Wind liess viele Zuschauer einen warmen Unterschlupf suchen. Nach anderthalb Stunden hatten wir dann auch genug gesehen und sind wieder zurück nach Montréal gefahren…
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Zwei Wochen lang hat man jetzt schon nichts mehr von mir gehört. Das liegt daran, dass nicht allzuviel angefallen ist und das Leben seinen gewohnten Trott geht. Letztes Wochenende war ich auf dem Iglufest, einem open-air Fest für Technomusik. Ungefähr 3000 Menschen tanzten zu elektronischen Beats und gegen die Kälte an. Große Farbspsiele sorgten für ein Bisschen Abwechslung bei der doch ziemlich eintönigen Musik.. man muss es eben mal gemacht haben Ausserdem bildeten sich große Pfützen aus Wasser und überall lag der Schlick – wer da mit feinen Schuhen hin ist, hat sein nasses Wunder erlebt…hier noch ein Video, dass die Stimmung (und Quebecois) einfängt:
Am Sonntag war ich dann bei einem Jongliertreffen im Dachgeschoß eines Feuerwehrgebäudes. Dort treffen sich Hobbysten, aber auch Studenten der Zirkusschulen von Montréal. Man sieht also nicht nur drei, sondern auch fuenf Keulen oder Mal sieben Ringe. So weit wäre es aber fast nicht gekommen, denn ich irrte durch das Gebäude ohne so recht zu wissen, wo ich hin musste. Ausgeschrieben war es nicht und der Haupteingang war verschlossen. Ich probierte einen Nebeneingang und kam an einer Gruppe Mädchen vorbei, kehrte nach links und ging durch eine Tür ins Treppenhaus. Sie fiel zu und war von Innen nicht mehr zu öffnen. Die Treppen führten in den Keller in dem jede Menge Gerümpel lag und Boiler kochten, aber aus dem es keinen Ausgang gab. Ich stellte fest, dass ich eingeschlossen war. Mein einziger Ausweg war eine Tür, die durch eine Alarmanlage gesichert war. Sie führte wahrscheinlich in das eigentliche Feuerwehrgebäude. 20 Minuten klopfte und hämmerte ich an die feuerfesten Stahltüre, die mir zugefallen war. Der Stahl und der feste Beton dämpften alle meine Signale. Immerhin hatte ich ein kleines Fenster bei dem ich sehen konnte, ob jemand auf dem Gang war. Schliesslich wurde ich erhört und aus meinem Verliess befreit. Das war eigentlich schon genug Abentheuer und ich hatte nicht so recht Lust noch jonglieren zu gehen; doch es stellte sich als Glücksfall heraus, denn ein netter Herr lieh mir seine selbstgebastelten Keulen (auf unbestimmte Zeit) und nun habe ich eine neue Herausforderung!
Diese Woche wurde unser Labor für drei Stunden in ein kleines Fernsehstudio umfunktioniert, denn das kanadische Fernsehen interviewte einen unserer Professoren. Das Thema war: ‘Taser’ (Handgerät für Elektroschocks). Hier ist vor ein paar Jahren ein Mann durch Tasereinsatz ums Leben gekommen. Seitdem untersucht Prof. Savard die Korrelation von Todesfällen und Tasereinsatz. Die Frage bleibt immer, ob die Individuen ohne Taser noch am Leben wären…Eine schwierige Frage, die von der Betreiberfirma ‘Taser International’ natürlich totgeschwiegen wird. In Deutschland werden sie nicht eingesetzt.
Dieses Wochenende gehts zum Karneval nach Quebec. Für nächstes Wochenende ist eine Fahrt nach Chicago geplant. Ich werde Freitagabend nach Toronto reisen und Samstagfrüh geht es dann los!
Gestern Abend habe ich die neuen Online-Formulare für das Touristenvisum ausgefüllt. Fragen wie: Who will pay for this trip? oder What is the purpose of your trip?. Mein Favorit ist aber, nach welchem Visum verlangt wird. Ich habe mich fuer B2: “Visitor for pleasure” entschieden. Besonders skurril fand ich den Status: “Alien in a religious group”. Was soll denn das heissen? Oder “Alien in transit”. Das sind dann Ausserirdische, die einen Zwischenstopp auf dem Weg in die nächste Galaxie einlegen! Richtig?
Schliesslich noch ein Update zu meiner Wohnsituation: es ist sehr ruhig geworden, denn von sechs Mitbewohnern sind nur noch Are und ich übrig. Ronnie aus Tahiti, der Anfang Januar eingezogen war, ist prombt am 1. Februar in eine andere WG umgezogen. Die Miete bleibt für mich die Gleiche, denn die Vermieter kümmern sich selbst um Nachmieter und haben ein wachsames Auge darauf. Vielleicht wollen sie die Bude auch ausbluten lassen, damit in Zukunft eine ‘vernünftige’ Familie einzieht . Mir kann es egal sein, denn jetzt kann ich so lange und laut Gitarrespielen, wie ich will und auch mit den Keulen komme ich niemandem in den Weg!
Um Markus nicht vollständig das Feld zu überlassen, kommt jetzt hier mal wieder ein Lebenszeichen von mir . Leider ist es hier aber lange nicht so spannend wie 500 km weiter oben bei dem Schnee und Eis und der Kälte. Neulich hat sogar schon unser Professor an einem Montag morgen lange aus dem Fenster geschaut und gesagt ‘It’s SO depressing – gray, gray, gray’. Also wenn die Winterdepression schon bei den theoretischen (!) Physikern angekommen ist will das schon was heißen. Sein Kommentar trifft es recht gut. Seit der Mini-Eiszeit mit dem abenteuerlichen Stromausfall haben wir hier Einheitsgrau mit sporadischem Schneefall. Dabei türmen sich am Straßenrand die braunen Berge und ein oder zwei Tage nach dem Schneefall muss man als Fußgänger durch die Soße waten. Daher ist hier auch das absolute Ende der Schuhmode erreicht, bestenfalls Wanderstiefel, aber doch eher Vollgummi prägen das Bild.
Trotz allem nehmen es die Kanadier gewohnt gelassen und wenn es schneit ist es auch immer für ein paar Stunden wirklich schön. Außerdem gewöhnt man sich viel besser an den Winter als man denkt. Temperaturen die sich furchtbar kalt anhören erträgt man dann doch recht gut, und auch der Matsch ist ein lösbares Problem, schließlich wird man wegen hässlicher Fußbekleidung nicht schräg angeschaut.
Sonst gibt es nichts Neues aus T-town (daher auch die wenigen Einträge ), die Uni hat mich wieder fest im Griff, 10 Seiten Ausarbeitung bis Montag, eine Woche danach den 45 min Vortrag dazu, und wie immer noch Übungsblätter. Also nichts herauszuholen aus meiner spärlichen Freizeit außer Essen und Filmschauen mit Andrea, meiner Mitbewohnerin, und ab und zu ein Museumsbesuch (Mittwoch abends kostenlos) oder ein Konzert (manchmal nahezu kostenlos).
Fazit also: Der Winter hier in Toronto ist nicht gerade schön, aber immerhin ein richtiger Winter mit viel Schnee. Und genug Ablenkung vom Grau gibt es auch.
In den Fingern kribbelts noch! Rauf auf den Berg, ‘ice climbing’! Sounds like fun, no?
Heute, pünktlich 6:45 in der Früh gings los zum ‘Ice climbing workshop for beginners’. Etwa 20 Unerschrockene machten sich trotz Kälte (-15 plus Wind = -30 Celsius) auf zum Klettern. Nach einiger Sucherei standen wir vor einer Steilwand aus Eis etwa eine Stunde von Montréal entfernt. Steve, der Leiter der Gruppe, hatte die Sicherheitsseile schon befestigt (keine Ahnung, wann der aufgestanden ist!). Wichtig bei der Bezwingung ist natürlich die richtige Ausrüstung! Winterstiefel, Helm, Sicherheitsgurt, Pickäxte und ‘Cramp-ons’. Die Pickäxe kann man sich aus jedem billigen Slasher-Film entlehnt vorstellen. Die ‘cramp-ons’ werden über die Schuhe gestülpt und sehen martialisch mit ihren sägezahnartigen Spitzen aus. Diese sorgen für festen halt im Eis! Aber sie sind auch scharf, man kann sein Seil damit kappen und sich unter Umständen verletzten. Einer Bekannten von Steve ist dies passiert und sie musste ins Krankenhaus. Der Arzt rief dann in den Wartesaal: ‘Where is the woman that cut herself on her tampons’? Soviel zu den ‘cramp-ons’
Zugegeben, das wird nicht mein Lieblingssport werden, denn dafür ist es zu kalt und die physische Anstrengung zu groß. Aber die Bildung der Eiskristalle in meiner Wasserflasche zu beobachten und den Anderen bei ihren gefrorenen Butterbrotten zuzuschauen, war schon ganz lustig! Von meinen gefrorenen Bananen gar nicht zu sprechen..
Am Samstagmorgen, früh um 8 Uhr, traffen wir uns zur Abfahrt. Es waren sehr niedrige Temperaturen vorhergesagt, dementsprechend hatten sich alle darauf vorbereitet. Ich bin in ganzer Skimontur angetreten. Es war eine relativ kleine Gruppe; nur 25 anstatt der anvisierten 50 Teilnehmer und der Bus wurde kurzerhand durch ein Autokonvoi ersetzt. Nach längerer Odisee und einigen rutschigen Manövern auf den schneebedeckten Strassen kammen wir im Pfadfinderlager an. Hier, in einem riesigen Areal von 40 Hektar, standen verschiedene Hütten mit Kapazitäten von etwa 30 Betten pro Hütte. Sehr rustikal, aber gemütlich, mit kleiner Küche, einem Ofen und einer Feuerstelle. Zuerst gings raus in die Kälte ‘Quincys’ bauen. Das sind Hügel aus Schnee, die dann mit Schaufel und Eispickel ausgehölt werden. Der Unterschied zum Iglu besteht darin, dass hier keine Schneeblöcke verwendet werden und Quincys eher klein sind. Uns wurde versichert, dass es in einem Quincy bei einer Aussentemperatur von -30 Grad eine Innentemperatur von 4 Grad erreicht werden kann. Dafür reicht die Körperwärme und die Energie von zwei Teelichtern aus. Und – es ist Wind geschützt! Der Atem steigt auf und gefriert dann sofort wieder an der Decke. Dies härtet das Quincy und angeblich kann man am nächsten Morgen daurauf herumhüpfen ohne dass es einbricht. Das wäre für die Meisten schon der
ganze Spass gewesen, denn es war bitterkalt. Die Zehen fühlten sich wie Eisblöcke an, auch wenn der Rest des Körpers warm blieb.
Nach einem kurzen Snack und ein Wenig aufwärmen in der Hütte gings raus zu 4 Runden ‘Capture The Flag’. Die eigene ‘Flagge’ muss aus dem Territorium des Gegners ergattert und in das eigene Feld getragen werden. Wer erwischt wird muss ins Gefängnis und auf Rettung warten. Klingt wie einfaches Spiel, doch wenn man es in hüfttiefen Schnee spielt, wird es SEHR anstrengend. Man kann teilweise eher von im Schnee schwimmen sprechen, denn voran kommt man so überhaupt nicht. Und ist die Flagge erst einmal ergattert beginnt eine wilde Keilerei im Schnee bei dem die gegnerische Seite eindeutig das Nachsehen hat, denn man kann sich einfach wie ein Stein an Jemanden festklammern und er hat keine Möglichkeit davonzukommen. Nach jeder Runde musste erstmal 10 Minuten verschnauft werden, denn dieses Spiel beanspruchte alle Muskeln gleichermassen. Schliesslich waren aber auch hier meine Zehen festgefroren und ich war froh wieder in der warmen Hütte zu sein und in angenehmere Kleider zu schlüpfen.
Wir waren eine gemischte Gruppe, viele Austauschstudenten, davon 4 aus Australien, ein Iraner, eine Russin und eine Österreicherin. Ausserdem waren es überproportional viele Mädchen, die sich auf dieses kalte Wochenende eingelassen hatten. (wow!). Zu Abend wurden dann verschiedene Gesellschaftspiele gespielt, Gitarre gespielt und gesungen. Ausserdem wurde es zeitweilig sehr laut und wild, was denjenigen, die lieber ohne Alk blieben, doch sehr befremdlich aufstiess
. So gegen zwei Uhr war dann aber wirklich Bettruhe.
Am Sonntagmorgen haben wir dann noch in einer kleinen Gruppe eine Schneeschuhwanderung gemacht. ‘Bush wacking’, also querfeldein sind wir marschiert und schon nach einer Stunde waren wir komplett im Wald verloren. Aber unser Leiter Sas führte uns munter immer tiefer in den Wald hinein. Es schneite leicht und es war etwa 10 Grad wärmer als noch am Vortag. Zwischendurch stiessen wir auf ein paar Hütten, die Mitten im Nirgendwo zu stehen schienen, aber anscheinend Teil eines ‘Trails’ waren. Sas erzählte uns verschiedene Erlebnisse und gab uns eine Menge Tipps, wie man auch zu dieser Jahreszeit warm campen kann (zusätzliche Fettdiat vor Abfahrt z. B.). Für mich wirklich überraschend war, wie einfach wir mit dem Kompass (und ohne Karte) wieder zu unserer Hütte zurückfanden. Davor marschierten wir noch einmal um einen zugefrorenenen See herum. Dabei habe ich gelernt, dass man sich immer Abseits der Mitte UND Abseits des unmittelbaren Ufers bewegen soll, um nicht einzubrechen. Die Schneedecke alleine war schon mindestens 1 Meter tief, deswegen sah man nichts vom gefrorenen Eis. Die Schneeschuhe verteilen das Gewicht gleichmässig über eine größere Fläche und man sinkt nicht so tief ein. Nur so kann man solche eine Schneewanderung überhaupt in Angriff nehmen, normalerweise sackt man viel zu tief im Schnee ein. Wohlbehalten erreichten wir nach 4 Stunden Wanderung wieder unsere Hütte und es ging müde und schlapp wieder zurück nach Montreal.
Jetzt ist es doch, wie Diana schon gesagt hat, ein ganzes Stueck kaelter geworden. Die Skipisten in der Naehe von Montreal haben wegen der Kaelte dieses Wochenende geschlossen, fuer morgen ist eine Hoechsttemperatur von -22 Grad vorhergesagt. Trotzdem, dieses Wochenende ist New Members Weekend beim MOC, wir werden warm angezogen eine Nacht auf der Huette in den Laurentians verbringen. Ich bin schon auf eine Schneeschuhtour und den Iglubau (hier: ‘Quincys’ genannt) gespannt! Die Nachttemperatur soll -26 Grad betragen…
Fuer die darauffolgenden Wochenenden stehen schon Eisfischen (leider ohne Dynamit), ein ‘Ice-climbing’-Wochenende und der Winterkarneval von Quebec auf dem Programm. Zwischendrin muss ich natuerlich auch noch etwas fuer meine Studienarbeit leisten. Es zeichnet sich aber ab, das dieses Semester viel entspannter als das Letzte wird. Ich kann mir mein Zeit selber einteilen und natuerlich auch von Zuhause aus arbeiten – und der erste Gehaltsscheck ist auch schon auf der Bank
…. das haben wir uns verdient, de de de..das haben wir uns verdient, de de de…das haben wir uns verdient (mit Lieblingsmelodie unterlegen
Nun ist die Kälte auch hier richtig angekommen. Meine Mitbewohnerin meinte dieser Winter sei der kälteste der letzten Jahre. Schon seit mehreren Tagen, fast einer Woche, sind die Temperaturen unter -10, zur Zeit haben wir hier unter -20. So kalt wird es in Toronto sonst nur sehr vereinzelt und für kurze Zeit. Trotzdem gewöhnt man sich überraschend schnell daran, die Straßen werden recht gut geräumt und alles scheint normal. Nur wer länger draußen herumlaufen möchte sollte eventuell über einen Gesichtsschutz nachdenken, da die Kälte die Haut nach einiger Zeit taub macht und das recht unangenehm ist. Aber alles in allem muss man sagen, dass sich -20 weitaus schlimmer anhört als es letztendlich ist wenn man damit konfrontiert wird. Klirrend kalt bleibt es natürlich trotzdem .
Jetzt gibt es gerade das nächste Abenteuer: Einen großen Stromausfall in der Gegend wo ich wohne. Ab unserer Querstraße, der Shaw Street, östlich gibt es keinen Strom, und das vom Lake Ontario bis zur Bloor Street und von Shaw bis Landsdowne (für diejenigen denen die Straßen etwas sagen). Ein riesiger schwarzer Fleck in Toronto. Das auch noch mitten im Winter, im Dunkeln, und schon seit Stunden, wahrscheinlich wird es noch die ganze Nacht dauern. Leider wollte ich gerade ein Steak in die Pfanne werfen als plötzlich das Licht ausging, und auch der gemütliche Filmabend mit meiner Mitbewohnerin ist ins Wasser gefallen. Statt dessen hieß es Kerzen rollen, auch mal eine Erfahrung . Wir haben immer noch keinen Strom und ich schreibe dies hier auf meinem Notebook Akku, hoffentlich ist morgen der Strom wieder da, dann wird dies hier auch gepostet.
Aktualisierung: So, jetzt ist ‘morgen’ und wir haben noch keinen Strom, ebenso wie ein ziemlich großer Teil von Toronto. Heute morgen das totale Chaos nach der kältesten Nacht seit Jahren mit -29 Grad, ohne Heizung ohne Strom, keine Bahnen, die Ersatzbusse fahren nur vereinzelt. Eine der power stations wurde nach einem Rohrbruch überflutet, dies ist scheinbar der Grund. Auf jeden Fall ist jetzt das Linuxcaffe, in dem ich sitze, eine Zuflucht für alle geworden, deren Wohnungstemperatur auf die 10 Grad zugeht und deren Internet nicht geht.